Oder sollte man nicht mindestens erwarten, daß Ursache und Wirkung gleich stark wären; aber wie weit bleibt die Natur hinter dieser Erwartung zurück! Ich schildere nichts als den ersten gleichsam physiologischen Eindruck, welchen Schopenhauer bei mir hervorbrachte, jenes zauberartige Ausströmen der innersten Kraft eines Naturgewächses auf ein anderes, das bei der ersten und leisesten Berührung erfolgt; und wenn ich jenen Eindruck nachträglich zerlege, so finde ich ihn aus drei Elementen gemischt, aus dem Eindrucke seiner Ehrlichkeit, seiner Heiterkeit und … Ein anderer sagte von der Geschichte: dem, welcher die Ideen hat, sagt sie nichts Neues – kurz, sie fanden immer Gründe, weshalb es philosophischer sei, nichts zu wissen als etwas zu lernen. Nietzsches dritte Unzeitgemäße Betrachtung Schopenhauer als Erzieher im Kontext. Es scheint eine Ungereimtheit, daß der Mensch eines andern Menschen wegen da sein sollte; »vielmehr aller andern wegen, oder wenigstens möglichst vieler!« O Biedermann, als ob das gereimter wäre, die Zahl entscheiden zu lassen, wo es sich um Wert und Bedeutung handelt! Denn nur ein einziges wahrhaftiges Ja! Und überhaupt: beraubt er sich nicht seiner herrlichsten Freiheit, seinem Genius zu folgen, wann dieser ruft und wohin dieser ruft? Die feindseligen Kräfte wurden im Mittelalter durch die Kirche ungefähr zusammengehalten und durch den starken Druck, welchen sie ausübte, einigermaßen einander assimiliert. Also nur der, welcher sein Herz an irgendeinen großen Menschen gehängt hat, empfängt damit die erste Weihe der Kultur; ihr Zeichen ist Selbstbeschämung ohne Verdrossenheit, Haß gegen die eigne Enge und Verschrumpftheit, Mitleiden mit dem Genius, der aus dieser unsrer Dumpf- und Trockenheit immer wieder sich emporriß, Vorgefühl für alle Werdenden und Kämpfenden und die innerste Überzeugung, fast überall der Natur in ihrer Not zu begegnen, wie sie sich zum Menschen hindrängt, wie sie schmerzlich das Werk wieder mißraten fühlt, wie ihr dennoch überall die wundervollsten Ansätze, Züge und Formen gelingen: so daß die Menschen, mit denen wir leben, einem Trümmerfelde der kostbarsten bildnerischen Entwürfe gleichen, wo alles uns entgegenruft: kommt, helft, vollendet, bringt zusammen, was zusammengehört, wir sehnen uns unermeßlich, ganz zu werden. Die Gefahren sind immer groß, wenn es dem Menschen zu schwer gemacht wird und wenn er keine Pflichten zu erfüllen vermag; die stärkeren Naturen können dadurch zerstört werden, die schwächeren, zahlreicheren versinken in eine beschauliche Faulheit und büßen zuletzt, aus Faulheit, sogar die Beschaulichkeit ein. Ich wenigstens lese Laërtius Diogenes lieber als Zeller, weil in jenem wenigstens der Geist der alten Philosophen lebt, in diesem aber weder der noch irgendein andrer Geist. und ich überlegte mir, was er zu den beiden Maximen der Erziehung sagen würde, welche in unserer Zeit im Schwange gehen. Dort verbergen sich die Einsamen: aber dort auch lauert die größte Gefahr der Einsamen. Und gerade diese Gesinnung sollte in einem jungen Menschen gepflanzt und angebaut werden, daß er sich selbst gleichsam als ein mißlungenes Werk der Natur versteht, aber zugleich als ein Zeugnis der größten und wunderbarsten Absichten dieser Künstlerin: es geriet ihr schlecht, soll er sich sagen; aber ich will ihre große Absicht dadurch ehren, daß ich ihr zu Diensten bin, damit es ihr einmal besser gelinge. Niemals brauchte man mehr sittliche Erzieher und niemals war es unwahrscheinlicher, sie zu finden; in den Zeiten, wo die Ärzte am nötigsten sind, bei großen Seuchen, sind sie zugleich am meisten gefährdet. – Fünftens geringe Selbstschätzung, ja Bescheidenheit. Jeder, der sich zu ihr bekennt, spricht damit aus: »ich sehe etwas Höheres und Menschlicheres über mir, als ich selber bin; helft mir alle, es zu erreichen, wie ich jedem helfen will, der Gleiches erkennt und am gleichen leidet: damit endlich wieder der Mensch entstehe, welcher sich voll und unendlich fühlt im Erkennen und Lieben, im Schauen und Können, und mit aller seiner Ganzheit an und in der Natur hängt, als Richter und Wertmesser der Dinge.« Es ist schwer, jemanden in diesen Zustand einer unverzagten Selbsterkenntnis zu[328] versetzen, weil es unmöglich ist, Liebe zu lehren; denn in der Liebe allein gewinnt die Seele nicht nur den klaren, zerteilenden und verachtenden Blick für sich selbst, sondern auch jene Begierde, über sich hinauszuschauen und nach einem irgendwo noch verborgenen höheren Selbst mit allen Kräften zu suchen. Und wenn er ruft: »nur die Natur ist gut, nur der natürliche Mensch ist menschlich«, so verachtet er sich und sehnt sich über sich selbst hinaus: eine Stimmung, in welcher die Seele zu furchtbaren Entschlüssen bereit ist, aber auch das Edelste und Seltenste aus ihren Tiefen heraufruft. Jetzt schon wird der einzelne, welcher jenen neuen Grundgedanken der Kultur verstanden hat, vor einen Kreuzweg gestellt; auf dem einen Wege gehend ist er seiner Zeit willkommen, sie wird es an Kränzen und Belohnungen nicht fehlen lassen, mächtige Parteien werden ihn tragen, hinter seinem Rücken werden ebenso viele Gleichgesinnte, wie vor ihm stehen, und wenn der Vordermann das Losungswort ausspricht, so hallt es in allen Reihen wider. So blind und toll am Leben zu hängen, um keinen höhern Preis, ferne davon zu wissen, daß und warum man so gestraft wird, sondern gerade nach dieser Strafe wie nach einem Glücke mit der Dummheit einer entsetzlichen Begierde zu lechzen – das heißt Tier sein; und wenn die gesamte Natur sich zum Menschen hindrängt, so gibt sie dadurch zu verstehen, daß er zu ihrer Erlösung vom Fluche des Tierlebens nötig ist und daß endlich in ihm das Dasein sich einen Spiegel vorhält, auf dessen Grunde das Leben nicht mehr sinnlos, sondern in seiner metaphysischen Bedeutsamkeit erscheint. Veröffentlicht in Aufklärung & Ktritik, Sonderheft Nr. Und das ist jedenfalls mehr anzuraten als irgendeine Philosophie, sie sei, welche sie wolle, öffentlich, von Staats wegen, zu patronisieren. Da ist nichts in der Wissenschaft, was nicht morgen eine Umdrehung erfahren haben möchte, da gilt kein literarisches Ansehn mehr noch die sogenannten ewigen Berühmtheiten; alle Dinge, die dem Menschen zu dieser Stunde teuer und wert sind, sind dies nur auf Rechnung der Ideen, die an ihrem geistigen Horizonte aufgestiegen sind und welche die gegenwärtige Ordnung der Dinge ebenso verursachen, wie ein Baum seine Äpfel trägt. Solange jemand nach dem Leben wie nach einem Glücke verlangt, hat er den Blick noch nicht über den Horizont des Tieres hinausgehoben, nur daß er mit mehr Bewußtsein will, was das Tier im blinden Drange sucht. Vielleicht gewöhnt sich der eine daran, mißmutig endlich zu scheiden und nach zwiefacher Richtschnur zu leben, das heißt, mit sich im Widerspruche, unsicher hier und dort und deshalb täglich schwächer und unfruchtbarer: während ein andrer sogar grundsätzlich verzichtet, noch mit zu handeln und kaum noch zusieht, wenn andre handeln. Es ist gar nicht zu bestimmen, wie frühzeitig Schopenhauer dieses Bild des Lebens geschaut haben muß, und zwar gerade so, wie er es später in allen seinen Schriften nachzumalen versuchte; man kann beweisen, daß der Jüngling, und möchte glauben, daß das Kind schon diese ungeheure Vision gesehn hat. So ist er zwar allmählich bekannt und berühmt geworden, und ich glaube, daß jetzt bereits mehr Menschen seinen Namen als den Hegels kennen: und trotzdem ist er noch ein Einsiedler, trotzdem blieb bis jetzt die Wirkung aus! Dieses ewige Werden ist ein lügnerisches Puppenspiel, über welchem der Mensch sich selbst vergißt, die eigentliche Zerstreuung, die das Individuum nach allen Winden auseinanderstreut, das endlose Spiel der Albernheit, welches das große Kind Zeit vor uns und mit uns spielt. Solche Naturen sind Sammler, Erklärer, Verfertiger von Indices, Herbarien; sie lernen und suchen auf einem Gebiete herum, bloß weil sie niemals daran denken, daß es auch andre Gebiete gibt. Es ist, wie wenn in einer großen Stadt eine Feuersbrunst ausgebrochen ist, wo keiner weiß, was eigentlich noch sicher ist und wo es enden wird. wird jeder Christ hinzufügen –: aber selbst jene Förderung der Philosophie, wie er sie versteht, müßte doch einmal darauf hin angesehn werden, ob er sie platonisch versteht, ich meine: so ernst und aufrichtig, als ob es seine höchste Absicht dabei wäre, neue Platone zu erzeugen. – Zehntens Achtung vor den Mitgelehrten, Furcht vor ihrer Mißachtung; seltneres, aber höheres Motiv als das vorige, doch noch sehr häufig. Der eine wendete gegen die Naturwissenschaften ein: keine kann mir das einfachste Werden völlig erklären, was liegt mir also an ihnen allen? Von diesen hat das erste Bild das größte Feuer und ist der populärsten Wirkung gewiß; das zweite ist nur für Wenige gemacht, nämlich für die, welche beschauliche Naturen im großen Stile sind, und wird von der Menge mißverstanden. Hat es nämlich überhaupt einen Sinn, sich mit seiner Zeit zu beschäftigen, so ist es jedenfalls ein Glück, sich so gründlich wie möglich mit ihr zu beschäftigen, so daß einem über sie gar kein Zweifel übrig bleibt: und gerade dies gewährt uns Schopenhauer. Ob nun der Wahrheit damit gedient wird, daß man einen Weg zeigt, wie man von ihr leben könne, weiß ich im allgemeinen nicht zu sagen, weil hier alles auf Art und Güte des einzelnen Menschen ankommt, welchen man diesen Weg gehen heißt. Und dadurch war wenigstens so viel bereits erreicht worden, daß der größte Teil der ersten Auflage seines Hauptwerks zu Makulatur eingestampft werden mußte. Da sträubt er sich, spitzt die Ohren und beschließt »ich will mein bleiben!« Es ist ein schrecklicher Beschluß; erst allmählich begreift er dies. Neuware - 'Schopenhauer als Erzieher' kann als eine Darstellung verstanden werden, die für Nietzsches eigenen Selbstfindungsprozess steht. Es gehörte zu den herrlichen Bedingungen seiner Existenz, daß er wirklich einer solchen Aufgabe, gemäß seinem Wahlspruche vitam impendere vero, leben konnte und daß keine eigentliche Gemeinheit der Lebensnot ihn niederzwang: – es ist bekannt, in welcher großartigen Weise er gerade dafür seinem Vater dankte; während in Deutschland der theoretische Mensch meistens auf Unkosten der Reinheit seines Charakters seine wissenschaftliche Bestimmung durchsetzt, als ein »rücksichtsvoller Lump«, stellen- und ehrensüchtig, behutsam und biegsam, schmeichlerisch gegen Einflußreiche und Vorgesetzte. Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. Man gedenke nur an seine eigne Studentenzeit; für mich zum Beispiel waren die akademischen Philosophen ganz und gar gleichgültige Menschen und galten mir als Leute, die aus den Ergebnissen der andern Wissenschaften sich etwas zusammenrührten, in Mußestunden Zeitungen lasen und Konzerte besuchten; die übrigens selbst von ihren akademischen Genossen mit einer artig maskierten Geringschätzung[357] behandelt wurden. Band 1, Herausgegeben von Karl Schlechta. Er beurteilt zum Beispiel eine Schrift, weil er sie im Ganzen nicht zu übersehen vermag, nach einigen Stücken oder Sätzen oder Fehlern; er würde verführt sein zu behaupten, ein Ölgemälde sei ein wilder Haufen von Klexen. Wer sein Leben nur als einen Punkt versteht in der Entwicklung eines Geschlechtes oder eines Staates oder einer Wissenschaft und also ganz und gar in die Geschichte des Werdens, in die Historie hineingehören will, hat die Lektion, welche ihm das Dasein aufgibt, nicht verstanden und muß sie ein andermal lernen. Auch bei ihm findet sich das Wissen um das Ziel der Kultur nicht. Es liegt ein Wintertag auf uns, und am hohen Gebirge wohnen wir, gefährlich und in Dürftigkeit. In der Tat kann man überall, wo der Witz und die Gelenkigkeit sehr in die Augen fallen, ein wenig auf der Hut sein und die Geradheit des Charakters in Zweifel ziehn. Wenn er jetzt nun sein furchtloses Auge der Frage zuwandte: »was ist das Leben überhaupt wert?« – so hatte er nicht mehr eine verworrene und abgeblaßte Zeit und deren heuchlerisch unklares Leben zu verurteilen. Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Das indische Altertum eröffnet seine Tore, und seine Kenner haben zu den unvergänglichen Werken der Inder, zu ihren Philosophien, kaum ein anderes Verhältnis als ein Tier zur Lyra: obschon Schopenhauer das Bekanntwerden der indischen Philosophie für einen der größten Vorteile hielt, welche unser Jahrhundert vor anderen voraushabe. Aber viele Grade in der Befreiung des philosophischen Lebens sind unter den Deutschen noch unbekannt und werden es nicht immer bleiben können. Man gewöhne sich aber nur erst daran, jede Erfahrung in ein dialektisches Frage- und Antwortspiel und in eine reine Kopfangelegenheit zu übersetzen: es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit der Mensch bei einer solchen Tätigkeit ausdorrt, wie bald er fast nur noch mit den Knochen klappert. Diese Sehnsucht ist aber auch ihre Gefahr: in ihnen kämpft der Reformator des Lebens und der Philosoph, das heißt: der Richter des Lebens. Denn so hängt die modische Gier nach der schönen Form mit dem häßlichen Inhalt des jetzigen Menschen zusammen: jene soll verstecken, dieser soll versteckt werden. Selbst sein letztes Ereignis, die deutsche Reformation, wäre nichts als ein plötzliches Aufflackern und Verlöschen gewesen, wenn sie nicht aus dem Kampfe und Brande der Staaten neue Kräfte und Flammen gestohlen hätte. Überdies steht es um die Achtbarkeit der Universitäten viel zu seltsam, um nicht prinzipiell die Ausscheidung von Disziplinen wünschen zu müssen, welche von den Akademikern selbst gering geachtet werden. Die einzige Kritik einer Philosophie, die möglich ist und die auch etwas beweist, nämlich zu versuchen, ob man nach ihr leben könne, ist nie auf Universitäten gelehrt worden: sondern immer die Kritik der Worte über Worte. Was bedeutet nun für diese verschiedenartigen Wandrer beider Wege eine Institution der Kultur? Sich als Frucht am Baume zu wissen, die vor zu vielem Schatten nie reif werden kann, und dicht vor sich den Sonnenschein liegen zu sehen, der einem fehlt!«. Und das vor jedermann zu lehren, der zuhören will? Diese Summe von inneren Zuständen nannte ich erste Weihe der Kultur; jetzt aber liegt mir ob, die Wirkungen der zweiten Weihe zu schildern, und ich weiß wohl, daß hier meine Aufgabe schwieriger ist. Als das Band zerreißt, der Druck nachläßt, empört sich eines wider das andere. An einer beliebigen Stelle der Erde endet der Flug, die Schwingen fallen herab, Mephistopheles ist bei der Hand. Dabei muß sein Tun zu einem andauernden Leiden werden; aber er weiß, was auch Meister Eckhard weiß: »das schnellste Tier, das euch trägt zur Vollkommenheit, ist Leiden.« Ich sollte denken, es müßte jedem, der sich eine solche Lebensrichtung vor die Seele stellt, das Herz weit werden und in ihm ein heißes Verlangen entstehen, ein solcher Schopenhauerscher Mensch zu sein: also für sich und sein persönliches Wohl rein und von wundersamer Gelassenheit, in seinem Erkennen voll starken verzehrenden Feuers und weit entfernt von der kalten und verächtlichen Neutralität des sogenannten wissenschaftlichen Menschen, hoch emporgehoben über griesgrämige und verdrießliche Betrachtung, sich selbst immer als erstes Opfer der erkannten Wahrheit preisgebend, und im Tiefsten von dem Bewußtsein durchdrungen, welche Leiden aus seiner Wahrhaftigkeit entspringen müssen. Pages: 249–271. Eine andre große Begünstigung wurde Schopenhauern dadurch zuteil, daß er nicht von vornherein zum Gelehrten bestimmt und erzogen wurde, sondern wirklich einige Zeit, wenn schon mit Widerstreben, in einem kaufmännischen Kontor arbeitete und jedenfalls seine ganze Jugend hindurch die freiere Luft eines großen Handelshauses in sich[349] einatmete. Hatte er doch sogar noch etwas Höheres gesehn: eine furchtbare überweltliche Szene des Gerichts, in der alles Leben, auch das höchste und vollendete, gewogen und zu leicht befunden wurde: er hatte den Heiligen als Richter des Daseins gesehn. This amount is subject to change until you make payment. Nietzsche gives special attention to Schopenhauer's individualism, honesty and steadfastness as well as his cheerfulness, despite Schopenhauer's noted pessimism. Innerhalb der Philosophie des 19. Solche Schriftsteller fehlen uns. Er ist eine dunkle und verhüllte Sache; und wenn der Hase sieben Häute hat, so kann der Mensch sich sieben mal siebzig abziehn und wird noch nicht sagen können: »das bist du nun wirklich, das ist nicht mehr Schale«. Wie sollte eine politische Neuerung ausreichen, um die Menschen ein für allemal zu vergnügten Erdenbewohnern zu machen? Die[300] drohende Gefahr, daß seine große Tat einfach durch Nichtbeachtung wieder ungetan werde, brachte ihn in eine schreckliche und schwer zu bändigende Unruhe; kein einziger bedeutsamer Anhänger zeigte sich. Der Mensch Goethes ist, wie ich sagte, der beschauliche Mensch im hohen Stile, der nur dadurch auf der Erde nicht verschmachtet, daß er alles Große und Denkwürdige, was je da war und noch ist, zu seiner Ernährung zusammenbringt und so lebt, ob es auch nur ein Leben von Begierde zu Begierde ist; er ist nicht der tätige Mensch: vielmehr, wenn er an irgendeiner Stelle sich in die bestehenden Ordnungen der Tätigen einfügt, so kann man sicher sein, daß nichts Rechtes dabei herauskommt – wie etwa bei allem Eifer, welchen Goethe selbst für das Theater zeigte – vor allem daß keine »Ordnung« umgeworfen wird. Inzwischen fehlte mir dieser Philosoph und ich versuchte dieses und jenes; ich fand, wie elend wir modernen Menschen uns gegen Griechen und Römer ausnehmen, selbst nur in Hinsicht auf das Ernst- und Streng-Verstehen der Erziehungsaufgaben. Doch gibt es immer wieder einen Halbgott, der es erträgt, unter so schrecklichen Bedingungen zu leben, siegreich zu leben; und wenn ihr seine einsamen Gesänge hören wollt, so hört Beethovens Musik. Zwar auch mit vielen Narben und offnen Wunden; und in einer Stimmung, die vielleicht etwas zu herbe, mitunter auch allzu kriegerisch erscheint. Man sollte denken, daß Faust durch das überall bedrängte Leben als unersättlicher Empörer und Befreier geführt werde, als die verneinende Kraft aus Güte, als der eigentliche gleichsam religiöse und dämonische Genius des Umsturzes, zum Gegensatze seines durchaus undämonischen Begleiters, ob er schon diesen Begleiter nicht loswerden und seine skeptische Bosheit und Verneinung zugleich benutzen und verachten müßte – wie es das tragische Los jedes Empörers und Befreiers ist. Es sind schon öfter, seit die Welt steht, Staaten gegründet worden; das ist ein altes Stück. Jede Philosophie, welche durch ein politisches Ereignis das Problem des Daseins verrückt oder gar gelöst glaubt, ist eine Spaß- und Afterphilosophie. Denn dort seid ihr nur Diener, Gehilfen, Werkzeuge, von höheren Naturen überstrahlt, eurer Eigenart niemals froh, an Fäden gezogen, an Ketten gelegt, als Sklaven, ja als Automaten; hier bei mir genießt ihr, als Herren, eure freie Persönlichkeit, eure Begabungen dürfen für sich glänzen, ihr selber sollt in den vordersten Reihen stehen, ungeheures Gefolge wird euch umschwärmen, und der Zuruf der öffentlichen Meinung dürfte euch doch wohl mehr ergötzen als eine vornehme, von oben herab gespendete Zustimmung aus der kalten Ätherhöhe des Genius.« Solchen Verlockungen unterliegen wohl die Besten: und im Grunde entscheidet hier kaum die Seltenheit und Kraft der Begabung, sondern der Einfluß einer gewissen heroischen Grundstimmung und der Grad einer innerlichen Verwandtschaft und Verwachsenheit mit dem Genius. Die »Wahrheit« aber, von welcher unsre Professoren so viel reden, scheint freilich ein anspruchsloseres Wesen zu sein, von dem keine Unordnung und Außerordnung zu befürchten ist: ein bequemes und gemütliches Geschöpf, welches allen bestehenden Gewalten wieder und wieder versichert, niemand solle ihrethalben irgendwelche Umstände haben; man sei ja nur »reine Wissenschaft«. Nicht nur in betreff der Güte, sondern auch der notwendigen Zahl der guten ist er jetzt die Auktorität. Ihre Art, Glück zu heucheln, hat mitunter etwas Ergreifendes, weil ihr Glück so ganz unbegreiflich ist. Wir werden es noch erleben; jedenfalls befinden wir uns auch jetzt noch im eistreibenden Strome des Mittelalters; er ist aufgetaut und in gewaltige verheerende Bewegung geraten. Frage: kann sich eigentlich ein Philosoph mit gutem Gewissen verpflichten, täglich etwas zu haben, was er lehrt? Solche Heiterlinge sehen die Leiden und die Ungetüme gar nicht, die sie als Denker zu sehen und zu bekämpfen vorgeben; und deshalb erregt ihre Heiterkeit Verdruß, weil sie täuscht: denn sie will zu dem Glauben verführen, hier sei ein Sieg erkämpft worden. Ja man möchte sagen: das, was an seinem Wesen unvollkommen und allzu menschlich war, führt uns gerade im menschlichsten Sinne in seine Nähe, denn wir sehen ihn als Leidenden und Leidensgenossen und nicht nur in der ablehnenden Hoheit des Genius. Es gab, wie mir scheint, einen starken Anschein dafür, daß der Mensch Schopenhauer untergehn werde, um als Rest, bestenfalls, »reine Wissenschaft« zurückzulassen: aber auch dies nur bestenfalls; am wahrscheinlichsten weder Mensch noch Wissenschaft.[299]. – Ach ich merke wohl, ihr wißt nicht, was Vereinsamung ist. Das aber, was der Wirkung und Fortpflanzung seiner Lehre sich von Anbeginn widersetzte, was endlich[347] auch jene Wiedergeburt des Philosophen mit allen Mitteln vereiteln will, das ist, kurz zu reden, die Verschrobenheit der jetzigen Menschennatur: weshalb alle werdenden großen Menschen eine unglaubliche Kraft verschwenden müssen, um sich nur selbst durch diese Verschrobenheit hindurch zu retten. Nietzsches Abwendung von Wagner im Spiegel der Vierten Unzeitgemäßen Betrachtung Richard Wagner in Bayreuth (1876). Und hatten sie kein Feuer in sich, so soll das Feuer sie dafür bestrafen. Kant hielt an der Universität fest, unterwarf sich den Regierungen, blieb in dem Scheine eines religiösen Glaubens, ertrug es unter Kollegen und Studenten: so ist es denn natürlich, daß sein Beispiel vor allem Universitätsprofessoren und Professorenphilosophie erzeugte. Sollte aber ein Mensch auftreten, welcher wirklich Miene macht, mit dem Messer der Wahrheit allem, auch dem Staate, an den Leib zu gehen, so ist der Staat, weil er vor allem seine Existenz bejaht, im Recht, einen solchen von sich auszuschließen und als seinen Feind zu behandeln: ebenso wie er eine Religion ausschließt und als Feind behandelt, welche sich über ihn stellt und sein Richter sein will. Und gerade die Gewalten, welche jetzt am tätigsten die Kultur fördern, haben dabei Nebengedanken und verkehren mit ihr nicht in reiner und uneigennütziger Gesinnung. Soll man Benvenuto Cellinis Vater Recht geben, der seinen Sohn immer wieder zum »lieblichen Hörnchen«, also zu dem zwang, was der Sohn »das verfluchte Pfeifen« nannte? –. Und wie trost- und sinnlos kann ohne diese Befreiung das Leben werden! Dem Menschen wird nur so viel Kultur gestattet als im Interesse des allgemeinen Erwerbs und des Weltverkehrs ist, aber so viel wird auch von ihm gefordert. Im Grunde nämlich gibt es nur Heiterkeit, wo es Sieg gibt; und dies gilt von den Werken wahrer Denker ebensowohl als von jedem Kunstwerk. Nicht: Ich habe einen Willen. – Sechstens Treue gegen ihre Lehrer und Führer. Nehmt diese Genossen hinweg und ihr erzeugt eine wachsende Gefahr; Heinrich von Kleist ging an dieser Ungeliebtheit zugrunde, und es ist das schrecklichste Gegenmittel gegen ungewöhnliche Menschen, sie dergestalt tief in sich hinein zu treiben, daß ihr Wiederherauskommen jedesmal ein vulkanischer Ausbruch wird. Was genügt da nicht alles, selbst bei unsern vornehmsten und bestunterrichteten Leuten, unter dem Namen der Hauslehrer; welches Sammelsurium von verschrobenen Köpfen und veralteten Einrichtungen wird häufig als Gymnasium bezeichnet und gut befunden; was genügt uns allen als höchste Bildungsanstalt, als Universität – welche Führer, welche Institutionen, verglichen mit der Schwierigkeit der Aufgabe, einen Menschen zum Menschen zu erziehen!

Mrt Frankfurt Schneller Termin, Unfall Nordstrand Heute, Weiterführende Schulen Wien, Cottage Haus Kaufen England, Coole Dinge, Die Man Lernen Kann, Uni Würzburg Urologie Team, Gelöschte Apple-id Wiederherstellen, Wann Kommt Das Arbeitslosengeld 1 Diesen Monat 2021, Bester Zahnarzt In Der Nähe, Sich Verstanden Fühlen Synonym,